Trader-Stammtisch-Interview mit Herrn Nils Gajowiy

 

Steckbrief:

  • Name: Nils Gajowiy
  • Geboren: 1964
  • Beruf: Investor, Trader und Coach
  • Webseite: www.gajowiy.com
  • Facebook: https://www.facebook.com/nils.gajowiy?fref=ts
  • Kurze Biografie:

    • 1964 geboren in Brandenburg an der Havel
    • 1983 Abitur
    • 1985 Studium in Moskau am Institut für Internationale Beziehungen in der Fachrichtung Außenpolitik, Spezialisierung Südasien
    • 1991 Rückkehr nach Deutschland,
      Kurzvolontariat zum Redakteur, da das Studium nicht mehr anerkannt wurde
    • Redakteur, Redaktionsleiter und schließlich Chefredakteur bei einer regionalen Wochenzeitung
    • 1996 – 1998 freiberuflich als Journalist, Dolmetscher und Übersetzer tätig
    • 1998 – 2003 Geschäftsführer und Niederlassungsleiter für einen Telefonbuchverlag in Moskau und Deutschland
    • 2003 Beginn mit dem Future-Trading
    • 2013 Ausarbeitung und Beginn der „Zahltag-Strategie“
 

 

Guten Tag Herr Gajowiy,

 

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und unsere Fragen beantworten!

In der Kurzbiografie haben wir ja bereits schon die wesentlichen Eckdaten ihres Lebens aufgeführt, daher erübrigt es sich, darauf näher einzugehen. Wir wollen uns in diesem Interview mehr mit Ihrer Persönlichkeit und natürlich Ihrer aktuellen Investor / Trading-Strategie befassen.

Da die meisten unserer Leser Sie leider noch nicht persönlich kennen, bitte ich Sie, sich einmal selbst zu beschreiben. Wie würden Sie sich als Mensch beschreiben?

Nils Gajowiy: 

Ich bin ein geselliger Zeitgenosse, arbeite leidenschaftlich gern und viel. Ich habe mir einen kritischen Blick für die Welt bewahrt, bilde mir gern eine eigene Meinung und ecke auch häufig damit an. Ich schätze guten Humor, gutes Essen, einen guten Tropfen und eine gute Zigarre. Ich hasse es, mit Belanglosigkeiten Zeit zu verplempern.

 

TS: Welche Werte / Eigenschaften sind ihnen für sich und bei anderen Menschen besonders wichtig?

Nils Gajowiy:

Ich schätze Ehrlichkeit und Lloyalität. Ich mag Menschen, die eine eigene Meinung haben. Egal, ob diese Meinung mit meiner übereinstimmt – ich respektiere es, wenn Menschen selbst denken und nicht nach-denken (und nachplappern), was andere vorgedacht haben. Ich schätze es, wenn jemand das, was er predigt, auch vorlebt. Leider ist das in der Finanzbranche die Ausnahme.  

 

TS: Gibt es Ihrer Meinung nach grundlegende Eigenschaften, welche ein Trader haben sollte, um längerfristig in dem Trading-Geschäft erfolgreich zu sein?

Nils Gajowiy:

In erster Linie gehört dazu Leidenschaft. Denken Sie mal an Spitzenmusiker, Spitzensportler oder Spitzenanwälte: Die sind groß geworden, weil sie von klein auf und jahrzehntelang leidenschaftlich gern Geige oder Fußball spielen, oder weil die Juristerei sie fasziniert. Daraus erwächst der Drang, sich an sieben Tagen in der Woche mit der Materie zu befassen. Und aus dieser permanenten Beschäftigung ergibt sich Exzellenz. Im Trading ist Exzellenz die Voraussetzung des Erfolgs. Das Geld folgt der Exzellenz wie der Tag auf die Nacht.

Im Trading ist eines anders als in vielen anderen Bereichen des Lebens: Sie können als mittelmäßiger Beamter, Kraftfahrer, Bäcker oder Politiker alt werden und ein gutes Auskommen haben. Trading aber ist wettbewerbsintensiv, nur die besten 5% verdienen Geld – alle anderen liefern es. Wer hier nicht ständig trainiert, übt und leidenschaftlich an sich arbeitet, dem geht es wie den Olympiasiegern von 1956. Die würden heute nicht einmal mehr in die Qualifikation kommen. Es gibt keine erfolgreichen Hobby-Trader, ebenso wenig wie es Hobby-Olympiasieger oder Zufalls-Weltmeister in irgendeiner Disziplin gibt. 

 

TS: Dies führt uns gleich zum Thema Trading. Gab es bei Ihnen ein ausschlaggebendes Ereignis oder eine Person, warum Sie Trader werden wollten?

Nils Gajowiy:

Mir fiel 2003 ein Buch in die Hände, „Futures und Optionen“ von Alexander Natter. Ich war auf der Suche nach einer beruflichen Neuorientierung und fand die Idee spannend, selbstbestimmt und absolut eigenverantwortlich über das eigene Einkommen und das eigene Leben zu bestimmen. Ich wollte Trading erlernen, buchte ein Wochenseminar und hatte Glück mit meinem ersten Ausbilder. Ich habe mich dann jahrelang durchgebissen, bis 2006 der Knoten platzte. Ich lernte meinen eigentlichen Coach und heutigen guten Freund, Dr. Alexander Elder, kennen. Der hat mein Trader-Leben vom Kopf auf die Füße gestellt.

 

TS: Warum ist Ihnen ein Leben als Trader wichtig? Weshalb gerade das und z.B. keine sichere Anstellung in einem Unternehmen?

Nils Gajowiy:

Ich glaube an das Prinzip Eigenverantwortung, wie es Reinhard K. Sprenger einmal nannte. Die vermeintlich sichere Anstellung hat einen Preis. Man gibt seine Freiheit auf, muss sich häufig von Dümmeren sagen lassen, was man wann und wie zu tun hat und man wird dafür auch noch schlecht bezahlt. Der Ausweg aus dieser permanenten Unzufriedenheit heißt: Bestimme Dein Leben selbst. Einen Trader kann niemand entlassen. Ein Trader muss nicht seinen Kunden hinterherlaufen, damit die ihre Rechnungen bezahlen. Ich liebe den puren Darwinismus des Trading, das „Survival Of The Fittest“.

Abgesehen davon: Ich möchte mich nicht als Angestellten haben, denn ich gehe vielen auf die Nerven mit meinem permanenten Hinterfragen. Kein Chef lässt sich gern dauerhaft in Frage stellen.

 

TS: Im Track Record auf Ihrer Webseite beschreiben Sie ja schon ausgiebig und sehr offen ihren Weg als Trader.
Ergänzend dazu noch die Frage: Gab es auf Ihrem Weg als Trader einen oder mehrere Mentoren, durch die Sie maßgeblich unterstützt wurden?

Nils Gajowiy:

Es gibt tatsächlich einen Menschen, ohne den ich heute immer noch ziellos herumirren würde – Dr. Alexander Elder. Er hat mir 2005 die Augen geöffnet mit seinem Spruch „Zeige mir einen Trader mit guten Aufzeichnungen, und ich zeige Dir einen guten Trader“. Ich fing an, Aufzeichnungen zu führen und sah plötzlich, warum ich kein Geld verdiente. Auch in den Folgejahren hat mir Dr. Elder immer wieder gezeigt, wie man seine „Vier M“ – Money, Mind, Method und (Selbst)-Management – auf die Reihe kriegt, um erfolgreich zu sein und zu bleiben. Ich besuche fast jedes Traders‘ Camp, das Dr. Elder veranstaltet, auf einigen bin ich auch schon als Gastredner aufgetreten. Ich lerne jedes Mal neue Nuancen und verfolge aufmerksam, wie einer der weltbesten lebenden Trader permanent an sich selbst arbeitet. Das spornt an.

 

TS: Die „Vier M“ sind eine super Zusammenfassung was beim Trading wichtig ist. Auf das Geld, den Verstand (Wissen) und die Methode konzentrieren sich die meisten Trader, aber das Selbst-Management wird dabei immer wieder sehr stark unterschätzt. Können Sie uns ein paar Tipps geben wie Sie dies für sich gestalten?

Nils Gajowiy:

Ich habe eine Weile gebraucht um die entscheidende Rolle der Psychologie zu begreifen. Es ist wie bei einem Alkoholiker. Erst, wenn er sich eingesteht, dass er abhängig ist und sein Rock Bottom-Erlebnis hat, erst dann wird er bereit sein, sein eigenes Verhalten in Frage zu stellen und es zu ändern. Dabei geht es häufig um Leben und Tod. Es beginnt mit dem Satz "Ich bin ein Alkoholiker".

Beim Trading ist der Grundansatz ähnlich - ich muss begreifen, dass ich selbst das Problem bin. Ich muss akzeptieren: "Ich bin ein Loser". Nur leider geht es hier nicht um Leben und Tod, und so wird immer die gleiche Mißerfolgsnummer wiederholt. Ich habe drei Grundsätze für mich entdeckt, die mir weiterhelfen.

Erstens: Trade small. Wer mit der kleinsten denkbaren Positionsgröße anfängt, wird zwar nicht reich, aber eben auch nicht arm. Es geht zunächst ja nur ums Überleben. Beim Autofahren wird man sich als Führerscheinneuling nicht als erstes einen 200.000-Euro-Ferrari zulegen, sondern vielleicht mit einem kleinen Gebrauchtwagen üben. Sonst wird's schnell teuer. Angehende Trader wollen nicht nur reich werden, sondern SCHNELL reich werden. Sie geben ordentlich Gas und setzen das Konto gegen die Wand.

Zweitens: Prozessorientierung. Jeder Trade muss einem festen "Schema F" folgen, denn ich kann den Ausgang nicht beeinflussen, der ist im Einzelfall immer zufällig. Ich muss mir meinen statistischen Vorteil selbst erschaffen, muss lernen, das Casino zu sein, das die Regeln macht. Wenn ich dann nicht am einzelnen Trade hänge, sondern begreife, dass jeder Trade nur einer von Hunderten ist, dann wird es einfach, auch mal einen Verlust zu akzeptieren. Wir sind leider nicht auf stochastische Herangehensweisen konditioniert, sondern meist auf kausale.

Drittens: Think big. Viele Trader sagen sich "Das waren ja nur 500 Euro, die ich gerade sinnlos versenkt habe, was macht das schon?" Sie haben keine Ahnung, was sie aus den 500 Euro hätten machen können, hätten sie sich an ein Regelwerk gehalten und nicht geschlampt. 500 Euro, die ich heute verliere, sind 5.000 Euro, die ich in fünf Jahren eben nicht habe oder 5 Millionen, die ich in 20 Jahren daraus hätte machen können.

Wenn ich mich dabei ertappe, meine eigenen Grundsätze zu vergessen (das sieht man dann an den Ergebnissen sehr schnell), dann klebe ich mir kleine Post-Its an meinen Monitor, auf denen ich diese Leitsprüche notiere. Oder ich platziere ein Foto auf meinem Schreibtisch, z.B. von Alex Elder und frage ihn: Alex, würdest Du diesen Trade machen? Er hat übrigens an seinem Monitor einen Aufkleber: "Is this an A-Trade?" - Ist das ein Einser-Trade? So vermeidet man, jeden Schrott zu handeln.

 

TS: Wie Sie beschrieben haben war ihre Anfangsphase, wie bei den meisten Tradern, auch schwierig und mit Verlusten verbunden. Wie sind Sie und Ihr privates Umfeld damit umgegangen?

Nils Gajowiy:

Ich habe viele Zehntausend Euro in den Sand gesetzt. Bis zum heutigen Tag zehre ich noch von Verlustvorträgen beim Finanzamt. Ich bin ein Dickkopf und wollte mich durchbeißen. Der Gedanke war: „So schwer kann das doch nicht sein.“ Zum Glück hatte ich damals immer alternative Einkommensquellen. Ich war mir 2006 auch nicht zu schade, wieder in die Lohnsklaverei zu wechseln. Ich habe bei einem Broker und einem CFD-Anbieter gearbeitet und konnte so langsam, aber stetig an mir arbeiten. Ich musste 2007 eine Zwangspause einlegen, als unser neues Haus ein halbes Jahr keinen Internetanschluss hatte. In dieser Zeit konnte ich meinen Masterplan entwerfen, an dem ich bis heute festhalte.

Meine Familie hatte anfangs Probleme mit meiner Traderkarriere. „Du hast doch was Ordentliches gelernt“ – das musste ich mir häufig anhören. Trader rangieren in der sozialen Hierarchie noch unter Gebrauchtwagenhändlern. Meine Kinder wussten nicht, was sie in der Schule antworten sollten, wenn man sie nach dem Beruf des Vaters gefragt hat. „Sag ihnen, ich bin in der Erwachsenenbildung tätig“, das ist heute meine Standardantwort. Da fragt niemand nach.

Mittlerweile akzeptiert meine Familie, dass Trading ein ordentlicher Beruf ist. Und mein Freundeskreis hat sich inzwischen, wie bei jedem normalen Menschen, auf einige erfolgreiche Kolleginnen und Kollegen eingedampft. Das Schöne ist, dass sich die überall in der Welt befinden – von Neuseeland bis Panama, von China bis USA. So kommt man dienstlich auch in der Welt herum.   

 

TS: Bevor wir nun näher auf Ihre aktuelle Trading Strategie eingehen, geben Sie uns bitte einen Einblick in Ihren Arbeitstag. Wie gestaltet sich ein Tag als Trader bei Ihnen?

Nils Gajowiy:

Ich sitze meist kurz nach Sieben morgens am Rechner. Es gibt eine feste Morgenroutine, um in den täglichen Rhythmus zu kommen. Von neun bis elf betreibe ich Daytrading. Es folgt eine ausgiebige Mittagspause – Kochen, Essen, etwas Hausarbeit, eventuell Sport oder eine kurze Siesta. Um 15.30 Uhr schaue ich mir die US-Börseneröffnung an. Abends habe ich häufig Webinare für meinen Inner Circle, schreibe mein tägliches Markt-Update. Dazwischen lese ich viel, analysiere Unternehmen, studiere Jahres- und Quartalsberichte. Statt sinnloser Fernsehsendungen ziehe ich mir abends noch mehr Unternehmensdaten rein – mir macht das einfach Spaß. Ich lese gern Biographien erfolgreicher Unternehmer, auch das gehört zum Traderleben. Meine produktivste Zeit als Trader ist der Samstagabend und der Sonntagvormittag. Dann wird die vergangene Woche ausgewertet und die neue Woche geplant. 

 

TS: Viele Trader berichten immer von einem Erlebnis, bei dem es „klick“ machte und sie dadurch gezeigt bekamen, wie es sich profitabel handeln lässt. Gab es bei Ihnen auch solch ein Schlüsselerlebnis?

Nils Gajowiy:

Das war bei mir eindeutig ein Eintages-Seminar bei Alexander Elder im August 2006 in Brüssel. Dieser Tag hat bei mir den Knoten zum Platzen gebracht. Ich erkannte, dass ich mit meinen Problemen nicht allein war und dass es für dieses Problem eine Lösung gab. Es war das Trading-Tagebuch. Ich hatte vorher immer an der falschen Stelle gesucht und logischerweise keine Lösung gefunden. 

 

TS: Wie führen Sie ihr Trading-Tagebuch? Nutzen Sie eine fertige Software, haben Sie ihr eigenes z.b. in Excel erstellt oder führen Sie es Analog? 

Nils Gajowiy:

Ich habe mit einer einfachen Excel-Tabelle angefangen. Mittlerweile nutze ich aber eine professionelle Software, TradingDiaryPro. Damit kann ich Daten automatisch herunterladen, mache keine Tippfehler und habe jede Menge statistisches Material zur Verfügung. Ich mag Aufzeichnungen nicht (wer tut das schon), also zahle ich für diesen Komfort 50 Euro im Jahr und weiß, dass der Computer auf Knopfdruck die Daten automatisch abruft. 

 

TS: Nach nun schon mehreren Jahren profitablen Handelns hat sich Ihre Strategie immer wieder weiterentwickelt. Können Sie uns bitte Ihre derzeitige Gesamt-Strategie näher beschreiben?

Nils Gajowiy:

Ich fahre zweigleisig. Vormittags betreibe ich häufig Daytrading im FDAX. Ich handle gegen euphorische oder panische Übertreibungen, meist im 100-Tick-Chart. Ich suche den Punkt der maximalen Gefahr und des minimalen Risikos und setze auf die Rückkehr in Richtung der Normalität.

Den Großteil meines Geldes investiere ich aber inzwischen langfristig, denn Daytrading ist meiner festen Überzeugung nach nicht skalierbar. Wohlstand entsteht in der Wirtschaft. Wenn ich mich in profitable Unternehmen einkaufe, partizipiere ich logischerweise in wachsendem Maße von diesem wachsenden fundamentalen Wohlstand. Das ist eine simple Value-Investing-Strategie, die auf stetig wachsende Dividendenströme setzt und völlig losgelöst vom sekündlichen Kursgezappel existiert. Simpel, aber nicht trivial.

 

TS: Ein Teil Ihrer Strategie ist auch das Traden von CFDs und Futures. Nach welchen Methoden gehen Sie hierbei vor?

Nils Gajowiy:

Von CFDs habe ich mich vor Langem verabschiedet, CFDs sind etwas für den Trader-Kindergarten. Ich handle nur noch an regulierten Märkten, also börsengehandelte Instrumente wie Futures, Aktien und Optionen.

Futures handle ich direkt intraday oder über Optionen. Ich kann im Dax long sein, indem ich einen Future kaufe. Das ist schwierig, zeitaufwändig und erfordert permanentes Monitoring. Ich mache das am Vormittag und intraday. Ich kann aber auch im Dax long sein, indem ich einen 9000er Put verkaufe. Das ist langweiliger, weniger riskant, weniger zeitaufwändig und wenn man weiß, wo die Risiken liegen, auch deutlich entspannter.

 

TS: Wie ist Ihre Methode mit Optionen? Treten Sie da rein als Stillhalter auf oder kaufen Sie auch Optionen, um Ihre Aktien abzusichern?

Nils Gajowiy:

Ich habe noch nie eine Option gekauft. Als gewiefter Options-Verkäufer geht man statistisch betrachtet in 75% aller Fälle als Gewinner vom Platz. Bei den restlichen 25% muss man aufpassen, dass einen die wenigen, aber manchmal recht heftigen Verluste, nicht zerreißen.

Ich verkaufe OTM-Puts auf Dividendenwachstumstitel, um die Aktien zu meinem Wunschpreis geliefert zu bekommen. Das funktioniert wie eine Limit-Kauf-Order, bei der man für das Warten bezahlt wird.

Außerdem verkaufe ich Puts und Calls auf Rohstoffe, denn Rohstoffe haben natürliche Preisober- und -untergrenzen. Das ist der Unterschied zu Aktien. Öl kann nie dauerhaft 200 Dollar pro Barrell kosten und auch nie 10 Dollar. Eine Apple-Aktie kann auf Null fallen oder auf 10.000 steigen, da gibt’s keine Grenzen.    

 

TS: Aktuell sind Sie mit Ihrer „Zahltagstrategie“ sehr bekannt geworden. Was ist das Besondere an dieser Methode?

Nils Gajowiy:

Ich fokussiere mich hierbei auf den Aufbau eines permanenten Dividendenstroms. Amerikanische Unternehmen zahlen zwischen vier und zwölf Mal im Jahr Dividenden. Hat man also 60 Aktien und bekommt bei jeder vier Dividendenzahlungen pro Jahr, ergibt das 240 Zahltage im Jahr. Das ist mehr, als ein Angestellter an Arbeitstagen hat.

Wenn man jetzt noch weiß, dass es Dutzende von Unternehmen gibt, die ihre Dividenden seit Jahrzehnten jedes Jahr um einen zweistelligen Prozentbetrag anheben, wird es interessant. Wer kriegt schon von seinem Chef Jahr für Jahr 10% mehr Gehalt? Und das fünf, zehn oder dreißig Jahre hintereinander. Der Zinseszins tut ein Übriges. So ist Warren Buffett reich geworden. 

 

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TS: Die „Zahltagstrategie“ arbeitet ja ohne Hebel und bedarf daher eher größeren Kapitals oder kann man diese schon mit kleinen Konten umsetzen? Ab welchem Betrag lohnt es sich, die erste Aktie zu kaufen?

Nils Gajowiy:

Bei Warren Buffett reichten 114,75 Dollar für die ersten drei Aktien. Im Internetzeitalter kann man mit 2.000 Euro ein Brokerkonto bei einem der führenden Broker Deutschlands eröffnen. Eine Order muss heute nicht mehr als 50 Cent kosten. Wer mehr bezahlt, ist selbst schuld. Ich kaufe häufig Positionen von 500 oder 800 Dollar, mich haben 15 Aktien von Coca-Cola 600 Dollar gekostet und die Kommission betrug 32 Cent. Der Reiz einer solchen Position liegt ja nicht in den 3,4% Dividende, die ich heute kriege, sondern darin, dass diese Summe jedes Jahr um zehn Prozent angehoben wird, ohne dass ich etwas dafür tun muss.

Ich trete sehr gern vor Studenten auf (übrigens kostenlos) und begeistere sie dafür, mit dem Investieren auch mit einem kleinen Konto anzufangen. Denn der größte Trumpf ist nicht das Geld. Der größte Trumpf und das einzige, worum ich Studenten heute beneide, ist die Zeit. Wer die Zahltagstrategie 30 Jahre lang konsequent durchzieht, wird unweigerlich als Millionär enden. Das ist so sicher wie der tägliche Sonnenaufgang. Da spielt es dann keine Rolle mehr, ob man mit 100 oder mit 10.000 Euro angefangen hat. Wichtig ist Zeit, Ausdauer, Fleiß und der Glaube an das Funktionieren der Strategie.

 

TS: Auf welchen Märkten handeln Sie vorrangig Ihre „Zahltagstrategie“ und warum gerade diese Märkte?

Nils Gajowiy:

Ich investieren ausschließlich in Unternehmen, die an amerikanischen Börsen gelistet sind. Dort herrscht die größte Liquidität, Auswahl, Transparenz und nahezu uneingeschränkter Zugang zu allen fundamentalen Daten, die ich brauche. Deutschland hinkt leider in Sachen Informationsdemokratie und Aktienkultur um rund 100 Jahre hinterher.

 

TS: Wie finden Sie die optimale Aktie? Arbeiten Sie mit Charts oder eher anhand von Fundamentaldaten?

Nils Gajowiy:

Einen Quick-Check mache ich mit einer Matrix aus fünf Fundamental-, fünf Dividenden- und einem Chartkriterium. Ausschlaggebend sind Fundamentaldaten und eine lupenreine Dividendenhistorie. Charttechnik hilft mir nur, den Einstiegszeitpunkt zu finden. Hier arbeite ich aber mit Monats- und Wochencharts, also kommt es auf ein paar Tage und ein paar Cent nicht an.

 

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TS: Wie steuern Sie ihr Risiko?

Nils Gajowiy:

Niemand kennt die Zukunft und im Prinzip ist jeder Trade und jedes Investment eine Wette mit offenem, zufälligem Ausgang. Also mache ich es wie das Casino: Ich platziere viele kleine Wetten und lasse den statistischen Vorteil für mich arbeiten. Wenn von 100 Wetten 55 gut gehen und 45 nicht, bin ich ein Gewinner. „Trade Small“ ist das Grundprinzip des Risikomanagements, sowohl im Daytrading, als auch im Investieren. Mein Aktienportfolio umfasst derzeit über 30 Positionen und es soll in den kommenden Jahrzehnten auf rund 100 Positionen anwachsen. So hat jede einzelne Aktie ein Risiko von einem Prozent und damit kann ich gut leben.

 

TS: Wie groß ist der emotionale Einfluss bei Ihrem Trading und wie gehen Sie damit um?

Nils Gajowiy:

Wie fast jeder Trader habe ich anfangs zu groß und zu häufig und damit sehr emotional getradet. Ich habe dann die Positionsgrößen solange minimiert, bis mir die Positionen völlig egal waren. Die Idee ist: Du bist vor dem Trade genauso arm wie hinterher, egal, ob der Trade gewinnt oder verliert. Erst 1000 Trades machen einen fühlbaren Unterschied. Mit der Zeit konnte ich meine Positionsgröße langsam steigern und meinen Rumrutschfaktor (der Begriff stammt von Michael Voigt) trainieren. Sobald ich merke, dass ich nervös werde, fahre ich die Positionsgröße wieder zurück.

 

TS: Wie halten Sie es mit der Weiterbildung als Trader, wo informieren Sie sich oder besuchen Sie auch Schulungen?

Nils Gajowiy:

Ich besuche gern Dr. Elders Traders‘ Camps. Ich habe dadurch viele interessante Menschen kennengelernt, echte, erfolgreiche Trader. Ich habe gelernt, dass die Menschen in aller Herren Länder die gleichen Probleme mit dem Trading haben wie ich. Es ist erfrischend zu sehen, dass alle nur mit Wasser kochen. Ich besuche hingegen in Deutschland keine Messen und Börsentage mehr. Diese Verkaufsveranstaltungen suggerieren einem nur, dass die erste Million nur einen Mausklick entfernt ist. Es gibt leider genügend Menschen, die genau diese Illusion kaufen und es ist auch nicht illegal, diesen Traum zu verkaufen. Daher verurteile ich niemanden. Es ist nur nicht mehr meine Baustelle.

 

TS: Eine weitere sehr gute Möglichkeit sich zu bilden sind immer noch Bücher. Welche sind Ihre Favoriten und warum?

Nils Gajowiy:

Favorit Nummer eins ist Warren Buffetts Biograhie „Das Leben ist ein Schneeball“ von Alice Schroeder. Spannend wie ein Grisham-Krimi. Wer Trading lernen will, sollte Alexander Elders „The New Trading for a Living“ lesen, das es leider nicht auf Deutsch gibt. Es ist die Quintessenz von 40 Jahren Trading-Erfahrung und deckt alle Bereiche des aktiven Trading ab. Im Bereich Optionen kommt man an Jens Rabes „Optionsstrategien für die Praxis“ nicht vorbei. (ein Interview mit Jens Rabe finden sie auch hier auf unserer Seite) 

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TS: Wir haben schon viel über Ihre Vergangenheit und die aktuelle Strategie gesprochen, aber wie geht es weiter? Welche Pläne bzw. Ziele haben Sie für Ihre Zukunft?

Nils Gajowiy:

Ich werde weiter 100 Stunden die Woche Spaß haben – bei meiner Arbeit, die auch meine Leidenschaft ist. Ich bilde seit 2016 einmal im Jahr maximal zwölf angehende Investoren zu Profis aus – soweit ich das kann. Sie bekommen das theoretische Rüstzeug und dann werden sie von mir zwölf Monate lang begleitet, trainiert, gecoacht. Das ist mein Beitrag zum Kampf gegen den finanziellen Analphabetismus, den Banken und Politiker dem deutschen Volk verordnet haben. Es gibt ja nirgends eine praktische Ausbildung zum Investor und in der Schule oder an den Unis findet das Thema ebenfalls nicht statt. Ich betreue eine kleine Community von Gleichgesinnten auf meiner Webseite, ich nenne sie den „Inner Circle“.

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Gelegentlich werde ich von studentischen Börsenvereinen eingeladen, dort stelle ich meine Strategie gern vor. Ich lasse mir meine Reisekosten bezahlen und ein Abendbrot und bekomme dafür meist tolle, inspirierende Abende mit jungen, wissbegierigen Leuten. Das motiviert mich zum Weitermachen.

Wie viele Menschen hat Warren Buffett mit seiner Berkshire Hathaway zu Millionären gemacht? Tausende. Das werde ich nicht mehr schaffen, aber versuchen kann man’s ja mal.

 

TS: Trading ist ja nicht alles im Leben. Wie verbinden Sie Ihr Trading mit dem Privatleben?

Nils Gajowiy:

Ich bin in der glücklichen Lage, für meine Arbeit nur ein paar Stufen die Treppe rauf in mein Home-Office gehen zu müssen. Das lässt mir viel Freiraum in der Zeiteinteilung. Wenn das Fernsehprogramm mies ist, was meist der Fall ist, dann kann ich abends arbeiten. Oder auch am Wochenende. Ich nehme meinen Laptop auch immer mit in den Urlaub, denn da ich sehr entspannt arbeite, ist Urlaub für mich eigentlich nur eine unangenehme Unterbrechung meiner Arbeitsroutinen. Ich nehme mir Zeit für die Dinge, die privat wichtig sind – Geburtstagsfeiern, Gartenarbeit, das gemeinsame Essen am Abend oder am Wochenende, den Städtetrip am Wochenende.   

 

TS: Was machen Sie besonders gern als Ausgleich in Ihrer Freizeit? (Sport, Hobbys, …)

Nils Gajowiy:

Ich bin zwei- bis dreimal in der Woche im Fitness-Studio, allerdings ist da eher die Sauna der ausschlaggebende Grund. Beim Sport gönne ich mir die Inkonsequenz, die ich mir beim Trading versagen muss. Ich lese viel und gern, mittlerweile allerdings hauptsächlich Biografien oder Belletristik. Ich habe augenblicklich ungefähr sechs Bücher auf dem Tisch, die ich je nach Laune abwechselnd weiter lese.

 

TS: Welches Lebensmotto haben Sie und warum ist Ihnen dies so wichtig?

Nils Gajowiy:

Carpe diem – Nutze den Tag. Wir vergeuden in der Jugend viel Zeit mit Unfug. Je älter man wird, desto mehr begreift man, dass diese Ressource unwiederbringlich verloren ist. Wie viel Zeit wird in Deutschland mit DSDS oder der Bundesliga verschwendet – das sollte man mal in Mann-Stunden hochrechnen und mit dem gesetzlichen Mindestlohn multiplizieren. Den Betrag würde ich mir gern auszahlen lassen. Das beantwortet die Frage nach der Wichtigkeit, oder?

 

TS: Das ist ein sehr schönes Schlusswort und wir denken dass dieses Interview einen großen Nutzen für alle Leser hat. Wir bedanken uns im Namen der Trader-Stammtisch.de-Nutzer für die privaten und Trading-Einblicke. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen viel Erfolg beim Erreichen Ihrer Ziele in allen Lebensbereichen!

 

Habt Ihr noch weitere Fragen, dann schreibt doch einfach einen Kommentar, wir reichen die Frage weiter und ergänzen das Interview.

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30.01.2017 | 59834 Aufrufe